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Sonett aus der Belagerung

Unvorstellbar, wie diese Wohnhäuser dee Heimatstadt des jungen Autoren Wolodymyr Scheluchin jetzt aussehen. Unumkehrbar zerstört durch russischen Beschuss.

Die vertraute orthodoxe Kirche in einem Flammenmeer, völlig zerstörte Industrielager und ein ausgebrannter russischer Panzer am Ufer des Psel, der aus Russland kommend die Stadt Sumy und die  Bezirke Sumy und Poltwa durchfließt. Und die gleich am ersten Kriegstag zerstörte Kadettenschule.

 

 

Unter diesen Eindrücken verfasst Wolodymyr Scheluchin seine Sonette aus der Belagerung.

 

 

" ...  niemals wünschte ich Poesie, doch sie überkam mich" (Wolodymyr Scheluchin)

 

 

 

Sonett Nr. 4

 

 

 

Der Tränen Schweigen und der Lärm der Einsamkeit -

 

sind alle deine Schätze, entwertet, unscheinbar wie Schnee,

 

Zerr sie hervor, hervor aus Wüstenfeldern,

 

bist du auch zwischen Mauern - Sprachlosigkeit um dich..

 

 

 

Schatten, und salzig´ Blut - der Bitternisse Ouvertüre,

 

Akkorde, hell erklingend als verwünschte Gaben.

 

Manch unbesorgtes Lächeln, das entwuchs den Qualen,

 

wozu du lebst - tödlicher Abgrund aller Fülle.

 

 

 

Der Morgen dämmert, gleich bedeckt vom finster´n Himmel

 

zum Wind der Flucht man fleht “So wehe doch!”,

 

doch dieser Wind erstarb in der vergessenen Ruine.

 

 

 

Kein´s Menschen Seel, kein zarter Atem und kein Glaube,

 

das Hiesige hält zur erlosch´nen Stunde tapfer an.

 

Und im Verfall der Worte erkennst du Grenzen nicht.

 

 

 

Wolodymyr Scheluchin, 12.3.22

 

 

 

 

 

Wolodymyr Scheluchin ist Soziologe, Schriftsteller und Essayist. Er ist in Sumy geboren und lehrt an der Kyjiwer Taras-Schewtschenko-Universität.
Im Jahr 2010 übertrug Claudia Dathe ein Fragment seines Theaterstücks "Frost" ins Deutsche.

 

 

 

"Сонети із облоги"

ніколи не бажав поезії, але вона прийшла

 

4

Мовчання сліз і гомін самоти, -

Це всі скарби твої, знецінені снігами,

Волочись собі пустельними полями,

Хоч ти і серед стін – ти серед німоти. 

 

Тіні, кров солона – увертюра гіркоти,

Акорди ці дзвенять заклятими дарами. 

Безжурні посмішки зросли катами,

У чому жив – мертовна прірва повноти. 

 

Зоря зійшла і тьмаве небо по́крив їй,

До вітру-втечі молиться: «Повій!»

А вітер той завмер забутою руїною. 

 

Ні душ, ні подиху крихкого, ані віри, 

Тутешнє все змело погаслою годиною,

Спинися. У тліні слів не знати тобі міри.

 

12.3.22

Володимир Шелухін

 

 

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