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Einer meiner Schriftstellerkollegen ...

Auf dem Büchermarkt in Kyjiv fragte ich seinerzeit die Händler nach spannenden Büchern in ukrainischer Sprache, um mir lesend mehr von der Sprache anzueignen. Man drückte mir einen Sammelband Ivan-Karpovich-Romane von Vladyslav Ivchenko in die Hand. Inzwischen sind etliche davon erfolgreich verfilmt. Der Autor hat viele FB-Follower und ist ziemlich produktiv. Irgendwann stieß ich auf einen seiner Einträge, in dem er bedauerte, die Verlage nehmen leider nur seine historischen Krimis an, nicht aber seine in der Gegenwart handelnden Romane. Daher bot er seinen interessierten Lesern an, bei ihm zu einem Preis von nicht viel mehr als einem Euro die Manuskripte dazu anzufordern. An einen seiner Gegenwartsromane muss ich zur Zeit sehr oft denken. Er beschreibt einen furchtbaren Krieg eines barbarischen Feindes gegen die ukrainische Heimat, wobei der Held in den Verteidigungskampf involviert ist. Das Ende des Buches ist zugleich erschreckend und besänftigend: In der Steppenluft scheint ein Rauschmittel die Sinne aller in der Gegend Anwesenden getrübt zu haben, sodass weite Züge des Krieges einschließlich Gefangenschaft, Belagerung und völlige Zerstörung ihnen nur im Rausch vorgespiegelt wurden. Der Held erwacht dennoch völlig traumatisiert daraus.

 

Vladyslav Ivchenko lebt mit seiner Frau und seiner noch sehr kleinen, offensichtlicgh künstlerisch begabten  Tochter in Sumy.

Am 24. Februar hat er sich sofort der medizinischen Untersuchung für seinen freiwilligen Dienst in der Armee unterzogen. Da schrieb er noch: "Sie nehmen am liebsten solche, die bereits gedient haben. Für so unerfahrene Kerle wie mich haben sie bislang keine Verwendung." Zwischendurch fand ich sehr kurze Updates von ihm, denen man die unerträgliche seelische Anspannung während der Belagerung und Bombardierung seiner Stadt genauso anmerkt, wie seine Bemühung, die Situation trotz allem mit Humor zu nehmen und niemanden zu demoralisieren.

 

Vor wenigen Tagen schrieb er: "Ich übernachte in Tscherkassy. Ich hab aus Sumy drei Kinder und zwei Frauen im Auto weggebracht. 400 Kilometer am Steuer. Eine abenteuerliche Fahrt, wobei ich die Orks im Bezirk Sumy irgendwie umfahren musste - eine Reise durch ein Land, das in schreckliche Alarmbereitschaft versetzt ist: Die Okkupanten sind am Arsch, sie haben keine Chance. Morgen dann nach Lviv, und danach kehre ich nach Sumy zurück ..."

Vor fünf Tagen schreibt er kurze Zeilen, in denen er für die überwältigende Hilfe in Lviv dankt. Ein kleiner Zusatz: " ... aber bei Putin stimmt nicht nur mit seinen Geschichtskenntnissen etwas nicht, auch mit seiner Geografie steht es nicht besonders, wenn er echt vorhat, uns zu unterwerfen."

 

Und vorgestern: "Heute hätten wir, meine geliebte Frau und ich,  eigentlich nach Paris fliegen sollen. Eine Wohnung in der Nähe von Père Lachaise. Der Louvre, das Centre Pompidou und so weiter. Stattdessen haben wir jetzt einen ergreifenden Trip aus Sumy zur polnischen Grenze hinter uns. Ich hoffe darauf, dass wir einander in zwei bis drei Wochen wiedersehen können." Und heute: "Ich bin in Sumy. Angst hatte ich vor den Blockposten der Okkupanten, doch die größte Herausforderung waren die nächtlichen Straßen im Bezirk Poltawa. Nun bleibe ich in meiner geliebten Heimatstadt bis zum Sieg!"

 

Wie schön wäre es, wenn dieser schreckliche Krieg nur ein eine Fata Morgana, ein vorgespiegelter Rausch, ein böser Traum wäre, aus dem es irgendwann ein gesundes Erwachen gibt, wie in Ivchenkos unveröffentlichtem Roman!

 

Bitte betet für die Ukraine!

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